1. Presseschau 2006
Freiheit & Abenteuer

von Renate Frank

In den Familien von Silke Wolf und Hans-Bert Espe kam Weinbau bisher nicht vor. Kein Wunder, sie kommt aus Paderborn und er aus dem Harz. Egal: In einem Bunker des alten kanadischen Stützpunkts bei Lahr machen sie einen Super-Spätburgunder

Hans-Bert Espe und seine Lebensgefährtin Silke Wolf haben eine Art Freibrief – in Sachen Wein. „Uns kennt hier ja keiner“, sagen die beiden Norddeutschen, die den nördlichen Breisgau zu ihrer Wahlheimat gemacht haben. Traditionen können ihnen egal sein, sie haben kein Weingut geerbt, müssen keine angestammten Kunden bedienen und es auch den Verwandten nicht recht machen. Sie machen, was sie für richtig halten. Beim Weinbau-Studium in Geisenheim haben sie sich kennen gelernt und nach verschiedenen Stationen gemeinsam in Baden niedergelassen. Oregon hatte noch zur Debatte gestanden, aber: „Hier können wir auch was Schönes machen.“ Was Schönes bedeutet Pinot Noir und sonst gar nichts.

Spätburgunder also steht in den Weinbergen, die sie sich bei Malterdingen und Kenzingen gekauft haben, weniger als zwei Hektar bis jetzt, und mehr als sechs sollen es auch nicht werden. Denn die beiden machen alles von Hand, weil sie es so wollen und weil sie gar keine Maschinen haben. Gerade haben sie eine alte (handbetriebene) Korbpresse günstig bekommen. Die steht jetzt in der „Unterkunft“, die sie für ihren Wein gefunden haben („Wir sind ja Nomaden, wir müssen dahin gehen, wo wir Räumlichkeiten finden.“). Auf dem stillgelegten Stützpunkt der Kanadier bei Lahr haben sie Obdach (Englisch: „shelter“) gefunden. Idyllisch liegt das alte Bunkergelände unter einer dicken Grasfläche, die von einer Schafherde gemäht wird. Vorbei am Klubhaus der Hells Angels liegt ihr „shelter“ direkt vor dem Wall, der das Flugfeld abschirmt. Eine Oase der Ruhe.

„2003 war unser erster Jahrgang“, erzählt Espe als er einen Probeschluck in die Gläser schenkt: „Alles lief perfekt, trotz schwieriger Verhältnisse.“ Er muss lachen. Wegen der großen Hitze hatte er mit Trockeneis eine Kaltmazeration hinkriegen wollen: „Es wurde nur eine normale.“ Damals hatten sie nur zwei Tanks. „Die haben wir auch noch per Hand abgeladen – verrückt."

Dem Wein merkt man die schweißtreibende Arbeit nicht an. Er ist elegant, schmeckt immer wieder anders, mal dominiert die Frucht, mal ist es Würze. Er schmeckt nach Ruhe, Gelassenheit – und Freiheit.                zurück

essen & trinken, Mai 2006